Algorithmus ermöglicht schärfere Proteinfilme
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Proteine sind biologische Moleküle, die in allen Lebensformen nahezu alle biochemischen Aufgaben erfüllen. Dabei führen die winzigen Strukturen ultraschnelle Bewegungen aus. Um diese dynamischen Prozesse genauer als bisher zu untersuchen, haben Forscher einen neuen Algorithmus entwickelt, mit dem sich Messungen an Freie-Elektronen-Röntgenlasern wie dem SwissFEL effizienter auswerten lassen. Sie haben es jetzt in der Fachzeitschrift Structural Dynamics vorgestellt.
Wenn Sie das Navigationssystem während einer Autofahrt nutzen, kann es vorkommen, dass das Gerät Sie für kurze Zeit abseits der Straße ortet. Dies ist auf die Ungenauigkeit der GPS-Positionierung zurückzuführen, die mehrere Meter betragen kann. Der Algorithmus im Navi wird dies jedoch bald bemerken und die auf dem Bildschirm angezeigte Flugbahn korrigieren, also wieder auf die Straße bringen.
Ein vergleichbares Prinzip zur Bewältigung unrealistischer Bewegungsabläufe konnte nun ein Forscherteam um die PSI-Physikerin Cecilia Casadei erfolgreich anwenden. Allerdings sind ihre Untersuchungsobjekte etwa eine Milliarde Mal kleiner als ein Auto: Proteine. Diese Bausteine des Lebens erfüllen in allen bekannten Organismen entscheidende Funktionen. Dabei führen sie häufig ultraschnelle Bewegungen aus. Die genaue Analyse dieser Bewegungen ist entscheidend für unser Verständnis von Proteinen, die uns unter anderem bei der Herstellung neuer medizinischer Wirkstoffe helfen können.
Um das Verständnis von Proteinbewegungen weiter zu verbessern, hat Casadei zusammen mit anderen PSI-Forschern, einem Forscher bei DESY in Hamburg und weiteren Kollegen an der University of Wisconsin in Milwaukee, USA, einen Algorithmus entwickelt, der Daten aus Experimenten an einem X- Freie-Elektronen-Laser (XFEL). Ein XFEL ist eine große Forschungsanlage, die extrem intensive und kurze Blitze von Röntgenlicht in Laserqualität liefert. Hier kann eine Methode namens zeitaufgelöste serielle Femtosekunden-Röntgenkristallographie (TR-SFX) verwendet werden, um die ultraschnellen Bewegungen von Proteinen zu untersuchen.
Die Messungen sind aus mehreren Gründen sehr komplex: Die Proteine sind viel zu klein, um direkt abgebildet zu werden, ihre Bewegungen sind unglaublich schnell und der intensive Röntgenlichtpuls eines FEL zerstört die Proteine vollständig. Auf experimenteller Ebene löst TR-SFX all diese Probleme bereits: Es wird kein einzelnes Molekül gemessen, sondern eine große Anzahl identischer Proteinmoleküle dazu gebracht, in regelmäßiger Anordnung zu Proteinkristallen zusammenzuwachsen. Wenn das FEL-Röntgenlicht auf diese Kristalle fällt, werden die Informationen rechtzeitig erfasst, bevor die Kristalle und ihre Proteine durch den Lichtimpuls zerstört werden. Die Rohdaten der Messungen liegen als sogenannte Beugungsbilder vor: Lichtpunkte, die durch die regelmäßige Anordnung der Proteine im Kristall entstehen und von einem Detektor registriert werden.
Wo die experimentellen Herausforderungen gemeistert sind, steht die Auswertung der Daten gerade erst am Anfang. „Die Messung jedes einzelnen Kristalls liefert nur zwei Prozent der Daten eines Gesamtbildes.“ Diese Unvollständigkeit hat physikalische und experimentelle Gründe und kann nur durch eine sinnvolle Kombination der Messdaten vieler Kristalle behoben werden. Casadeis Forschung konzentriert sich darauf, wie genau dies bewerkstelligt werden kann.
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Die von Casadei und ihren Kollegen entwickelte neue Methode heißt „Low-Pass-Spektralanalyse“, kurz LPSA. „Ähnlich wie in der Elektronik oder Audiotechnik wenden wir einen Tiefpassfilter an“, erklärt Casadei. „In unserem Fall geschieht dies jedoch in Form einer fortgeschrittenen linearen Algebra. Wir wenden diese Formeln an, um unerwünschtes Rauschen aus den Daten zu entfernen, ohne dass relevante Details verloren gehen.“
Kurz und einfach ausgedrückt: Die Rohdaten, also die Beugungsbilder der Proteinkristalle, werden während der gesamten Proteinbewegung verfolgt. Diese Bewegung wird als sanft, also ruckfrei, angenommen. Ähnlich wie das Navigationssystem sich selbst korrigiert, wenn das Auto scheinbar vom Straßenverlauf abweicht, mildert der neue Algorithmus von Casadei und ihren Kollegen Fehler bei der Protein-Bewegungsrekonstruktion.
Laien bemerken möglicherweise keinen großen Unterschied bei den neuen Proteinfolien. Doch für die Cineasten an Freie-Elektronen-Röntgenlasern ist die Verbesserung vergleichbar mit der Umstellung von einem DVD-Film auf HDR-Qualität.
„Der neue Algorithmus ermöglicht es den Forschern hier am SwissFEL am PSI nun vor allem, mehr Informationen aus ihren Daten zu extrahieren“, sagt Casadei. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Algorithmus dazu beitragen kann, lange Messzeiten zu verkürzen. Da in Grossforschungsanlagen und insbesondere am SwissFEL die Strahlzeit immer sehr gefragt ist, ist dies eine äußerst willkommene Perspektive für Proteinforscher, die diese hochmoderne Anlage nutzen.
Referenz: Casadei CM, Hosseinizadeh A, Bliven S, et al. Tiefpassspektralanalyse zeitaufgelöster serieller Femtosekunden-Kristallographiedaten. Strukturdynamik. 2023;10(3):034101. doi: 10.1063/4.0000178
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